Zum Verbot des „Freien Netz Süd“

29. Juli 2014 | Pressemitteilungen

Günter Pierdzig, Sprecher der nordbayerischen Bündnisse gegen Rechts, bewertet in einem Aufsatz das Verbot des Nazinetzwerkes "Freies Netz Süd" (FNS).

Mit großem medialem Aufwand hat das Bayerische Innenministerium am 23. Juli 2014 das Freie Netz Süd (FNS) verboten und das Grundstück Oberprex 47 beschlagnahmt, ebenso die dort vorhandenen „Agitations- und Propagandamaterialien“ des Naziunternehmens „Final-Resistance-Verlag“.

Vorausgegangen war eine mehrjährige Debatte und ein jahrelang öffentlich gefordertes Verbot besonders durch die zivilen Bündnisse gegen Rechts. Auch der einstimmige Beschluss der Verbotsforderung durch den Bayerischen Landtag im Frühsommer 2012 ist dabei erwähnenswert. Im Juli 2013 waren dann endlich in einer großangelegten Polizeiaktion mit ca. 700 Polizisten über 70 „Objekte“ der Neonazis in ganz Bayern durchsucht worden, die verdächtig waren, (nicht nur) das FNS zu unterstützen. Bei dieser Razzia wurden Nazifahnen und NS-Devotionalien, Rechtsrock-CDs, Messer, Pistolen, Schlagstöcke und vor allem Computer beschlagnahmt, die Rückschlüsse zuließen auf die überregionale Zusammenarbeit der einzelnen Kameradschaftsgruppen und deren ideologische Bezüge zum Nationalsozialismus.

Das Verbot des FNS und die Beschlagnahmungen waren bereits am 02. Juli 2014 im Bundesanzeiger angekündigt und am 23. Juli 2014 veröffentlicht worden (!).

Das FNS hatte sich zum Jahreswechsel 2008/2009 gegründet, nach dem gescheitertem Versuch des Fürther Neonazis Matthias Fischer, den damaligen Vorsitzenden der bayerischen NPD Ralf Ollert aus seiner Funktion zu vertreiben und selbst den Vorsitz der bayerischen NPD zu übernehmen. Nach diesem missglückten Aufstand gegen die „Krawattenfraktion“ traten etwa 40 militante „Nazikader“ von aktiven „nationalen Kameradschaften“ aus der NPD aus. Sie sollten sich fortan in örtlichen Kameradschaftsgruppierungen betätigen, z.B. in Nürnberg und Fürth, in Bayreuth, Weissenburg oder Cham und im Main-Spessart-Kreis. Diese bis zu 20 Gruppierungen füllten mit ihren lokalen und überregionalen Aktionsberichten das Internet-Netzwerk FNS aus. Als Hauptaktivitäten sind hier die Aufmärsche zum 1. Mai in Weiden, Schweinfurt, Würzburg, Hof und Plauen zu nennen, die Frankentage in Geschwand (OT von Obertrubach), in Ansbach/Roden im Spessart und in Schwarzach bei Mainleus und in Wunsiedel mehrmals die „Heldengedenktage“. Auf mehreren (jährlich stattfindenden) Propagandatouren (zuletzt im April 2014 in Hersbruck, Bayreuth, Münchberg und Helmbrechts) versuchten sie ihre rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Parolen öffentlich zu machen.

Zum engeren Personenkreis um das FNS sind Matthias Fischer (Stadeln/Fürth) zu zählen (vorbestraft u.a. wegen Volksverhetzung, Bezug zur FAF, ein Daueranmelder von Nazi-Kundgebungen in Gräfenberg), Sebastian Schmaus (Nürnberg), der bis zur letzten Kommunalwahl im März 2014 dem Nürnberger Stadtrat für die ausländerfeindliche Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) angehörte und sich besonders in Gräfenberg als „Anti-Antifa-Fotograf“ hervortat, Tony Gentsch (Töpen/Hof, vorbestraft), dessen Mutter 2010 das Anwesen Oberprex 47 für rund € 7000,– gekauft und dem FNS zur Verfügung gestellt hatte und Norman Kempken(Nürnberg), der ebenfalls zu den führenden Leuten der 2004 verbotenen Fränkischen Aktionsfront (FAF) gezählt werden kann. Schließlich taucht auch immer wieder Lutz Passon(Niedermirsberg /Ebermannstadt)auf, in dessen Familienbesitz sich das Wiesengrundstück in Geschwand (OT von Obertrubach) befand/befindet, auf dem Nazis über einen längeren Zeitraum hin immer wieder „abfeierten“ und zwei „Frankentage“ stattfanden.

In der von außen sehr schäbig wirkenden Immobilie Oberprex Nr 47, dem ehemaligen Gasthof „zum Egerländer“ fanden seit Sommer 2010 überregionale Treffen der „Kameradschaften“ statt, darunter auch Treffen mit ausländischen Nazis (Czechien). Am dort laufenden Schulungsprogramm nahmen Neonazis aus dem gesamten süddeutschen Raum (Bayern, Baden-Württemberg) teil, ebenso Nazi-Gruppen aus Thüringen und Sachsen. Sämtliche Führungspersonen der süddeutschen Nazikameradschaften dürften Oberprex durchlaufen haben.

Das FNS gehörte somit zweifellos zur größten und aktivsten Vernetzung örtlicher Neonazikameradschaften nicht nur in Bayern. Nach dem Prinzip des „führerlosen Widerstands“ gab es keinen Vorsitzenden und auch keine Mitgliederlisten, trotzdem trat unter dem Namen FNS der radikalste und militanteste Teil der Rechtsaußenszene auf. Mindestens 350 Rechte vereinten sich in etwa 20 „Kameradschaften“ unter den Vorgaben des FNS. Neben den Kameradschaften orientierten sich auch mehrere Tarnorganisationen am FNS, wie die „Bürgerinitiative Soziales Fürth“ (BiSF), die „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) in Augsburg und die „Bürgerinitiative Soziale Alternative Oberpfalz“ (BSAO).

Neben den Gruppenaktivitäten wurden auf der FNS-Internetseite auch mehrmals bekannte NazigegnerInnen aus der Region mit Bild und teilweise voller Anschrift verunglimpft und so quasi „zum Abschuss freigegeben“. Ebenso wurden Attacken auf Hab und Gut von NazigegnerInnen des Öfteren aus Nazisicht höhnisch spottend kommentiert. Das nun am 23. Juli 2014 veröffentlichte Verbot des FNS als Nachfolgeorganisation der Fränkischen Aktionsfront (FAF) ist sicher sehr begrüßenswert, wurde doch damit der Neonaziszene ein zentraler Treffpunkt genommen. Dies erschwert im Moment sicherlich die Aktivitäten und kann evtl. auch die Schulungsarbeit der Nazis zeitweise unterbinden.

Das Verbot kam aber nicht überraschend, denn die führenden Nazikader hatten sich bereits seit der Julirazzia von 2013 darauf eingerichtet: seit Ende 2013 haben sie sich der neuen Gruppierung „Der III. Weg“ angeschlossen und bereits Stützpunkte in Hof, München und Plauen gegründet. Die Netzseite des FNS wurde schon seit Ende April 2014 nicht mehr bearbeitet und Matthias Fischer hat mittlerweile seinen Wohnort nach Mecklenburg-Vorpommern verlegt, um dort wohl für den III. Weg aufzutreten. Auf der Website des III. Wegs werden jetzt die Nachrichten der FNS-Gruppen veröffentlicht. Das Innenministerium hatte mit dem Verbot wohl zulange (bewusst?) gewartet.

Außerdem bleiben vom Verbot des FNS bisher die einzelnen örtlichen „Kameradschaften“ ausgenommen. Deren lokale Aktivitäten und eigene Websites sind nach wie vor existent, das Verbot in dieser Form könnte also ins Leere laufen, soweit es die lokalen Kameradschaften betrifft. Davon spricht natürlich das Innenministerium nicht. So positiv auch das 131seitige Verbot und die Beschlagnahme des Objekts Oberprex 47 zu werten sind, so negativ ist auch der „entscheidende Schlag gegen die rechte Szene in Bayern“ (lt. Innenministerium) zu sehen. Denn zu hinterfragen wäre hier: Wer hat hier letztendlich wen zu lange geschützt und spiegelt jetzt der Öffentlichkeit ein „Phantomverbot“ vor